Graindelavoix (Leitung: Björn Schmelzer) eröffnet das Festival mit alten, aber höchst modernen Klängen. Danach tauchen wir mit Gustav Mahlers «Lied von der Erde» in die Tiefen der Sehnsüchte ab.
Teil 1
Der Name «Graindelavoix» spricht vom Korn in der Stimme, von einer sehr körperlichen Körnigkeit – und tatsächlich klingen die Interpretationen Alter Musik mit dem Vokalensemble zuweilen aufgeraut und herb-intensiv. Wie Musik von heute. Das ist ein zentraler Gedanke, der Björn Schmelzer und sein Ensemble beschäftigt. Modernität – oder wie immer wir es nennen wollen – taucht lange vor der sogenannten Moderne auf, ja wahrscheinlich war es immer ein Teil im künstlerischen Wellenschlag. «Wir brauchen keine zeitgenössische Kunst, um dem Zeitgenössischen zu begegnen», meint Schmelzer. Die alte Musik trägt einen Kern in sich, der nicht historisch ist, sondern transhistorisch. Fündig werden wir dafür zum Beispiel in den hochkomplexen Gesängen um 1400, die es immer wieder aufs Neue zu entdecken gilt. Es ist eine «Ars subtilior», eine verfeinerte Kunst, wie sie die Musikwissenschaft nannte: unerhört!
Teil 2
Gustav Mahlers «Lied von der Erde», komponiert 1908, ist eines seiner grossartigsten Werke, eigentlich eine Lied-Symphonie, basierend auf den freien Übersetzungen Hans Bethges nach chinesischen Gedichten. Die Uraufführung erlebte der Komponist nicht mehr. Es ist ein radikales Werk, das von Lebensrausch und Vergänglichkeit erzählt – und vom Abschied. «All sein Leid, seine Angst hat er in dieses Werk hineingelegt», schrieb Alma Mahler.
Der Dirigent Bruno Walter erzählt: «Als ich es [das Autograph] ihm zurückbrachte, fast unfähig, ein Wort darüber zu sprechen, schlug er den ‹Abschied› auf und sagte: ‹Was glauben Sie? Ist das überhaupt zum Aushalten? Werden sich die Menschen nicht darnach umbringen?›. Dann wies er auf die rhythmischen Schwierigkeiten und fragte scherzend: ‹Haben Sie eine Ahnung, wie man das dirigieren soll? Ich nicht!›.»
Arnold Schönberg begann, das «Lied von der Erde» für Kammerensemble zu bearbeiten, liess die Arbeit aber liegen; der niederländische Dirigent und Komponist Reinbert de Leeuw hat das Werk kurz vor seinem Tod 2020 für Kammerorchester bearbeitet.
In der Pause und nach dem Konzert besteht die Möglichkeit, ein Nachtessen mit Dessert einzunehmen. Eine Buchung im Zuge des
Ticketkaufs ist erforderlich.
Dauer Teil 1: ca. 30 Minuten, dann 45 Minuten Pause
Dauer Teil 2: ca. 60 Minuten
Induktionshöranlage
Rollstuhlgängig
Der Text von «Das Lied von der Erde» kann
hier als von Screenreadern lesbare Datei heruntergeladen werden.
Eine Veranstaltung von Musikfestival Bern in Kooperation mit Dampfzentrale Bern.